Ein Leben ohne Auto zugunsten des Umwelt- und Klimaschutzes ist in der Stadt aufgrund eines gut ausgebauten ÖPNVs, neuer Mobilitätsformen und -konzepten sowie einer Vielzahl von Sharing-Angeboten immer leichter.
Im ländlichen Raum hingegen ist das Auto oft das alternativlose Hauptverkehrsmittel – wenn der ÖPNV kaum oder schlecht ausgebaut ist, Direktverbindungen fehlen, Taktungen unzureichend sind oder die Fahrten zu lange dauern. Fehlen dazu Schulen, Freizeit- und Versorgungseinrichtungen vor Ort, ist ein Alltag ohne Auto kaum zu stemmen.
Wie hängt aber die ländliche, vom Auto abhängige Mobilität mit Gendergerechtigkeit zusammen?
Wenn Bus- und Bahnverbindungen aufgelöst werden, kleinere Schulstandorte und Dienstleistungen schließen und es vor Ort keine Einkaufsmöglichkeiten oder Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche gibt, müssen immer weitere Wege mit dem PKW zurückgelegt werden. Mit dem Abbau der Infrastrukturen auf dem Land steigen die Herausforderungen für Familien in der Gestaltung ihres Alltags. Auch auf dem Land sind es vor allem FLINTA* Personen, welche die Versorgungs- und Begleitwege zurücklegen.
Für Menschen, die nicht selbst Auto fahren können oder wollen, bedeuten ungenügende und schlechte Mobilitätsmöglichkeiten eine Abhängigkeit von anderen und eine starke Einschränkung ihrer selbstbestimmten Fortbewegung und damit der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Das betrifft Kinder und Jugendliche, Ältere (die aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr selber fahren können oder wollen), Menschen mit Behinderungen, Menschen ohne Führerschein und Menschen, die sich finanziell kein Auto leisten können. Diese Personen leiden in der Folge häufiger unter sogenannter Mobilitätsarmut und müssen auf Mobilität und gesellschaftliche Teilhabe verzichten. Oder sie sind auf Familienangehörige, Freund*innen oder Nachbar*innen angewiesen, die ein Auto haben und sie zum Einkaufen oder zur Arztpraxis, zur Schule oder zum Sport bringen können. Da nach wie vor FLINTA Personen einen Großteil der Sorgearbeit erledigen, fallen auch diese Begleitwege häufig auf sie zurück.
Dies bedeutet einer Einschränkung der selbstbestimmten Mobilität für diese Personengruppe, eine Abhängigkeit von anderen sowie eine zusätzliche Last und zusätzliche unbezahlte Arbeit für FLINTA Personen.
Viele Haushalte mit geringem Einkommen besitzen auf dem Land einen Pkw, weil es keine günstigere öffentliche Alternative gibt, und nehmen so gezwungenermaßen hohe Mobilitätskosten in Kauf. Ältere Personen, und hier vor allem FLINTA, sind zunehmend von Altersarmut betroffen. Dies wird durch die Abhängigkeit vom Auto bzw. von fehlenden erschwinglichen Mobilitätsageboten zusätzlich verstärkt.
Eine Mobilitätswende im ländlichen Raum ist also nicht nur aus Klimaschutzperspektive dringend nötig, sondern auch um die soziale Teilhabe aller Menschen zu sichern.
Dafür braucht es:
- eine Stärkung des ÖPNVs
- eine Verbesserung der Versorgungsinfrastruktur
- einen Ausbau verschiedener Mobilitätsformen und -konzepte sowie Sharing-Angeboten
Ziel muss es sein, eine Mobilität ohne eigenes Auto auch auf dem Land zu ermöglichen!
Detaillierte Informationen zum Thema ländliche Mobilität sowie einige gute Beispiele gibt es außerdem im Factsheet vom VCD.
*FLINTA bezeichent Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre und trans Personen. Der Begriff umfasst alle Personen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität patriarchal diskriminiert werden
Quellen:
Herget, Melanie (2020): Dezentral, Digital, kostenwahr & postfossil – Ansätze einer Verkehrswende in ländlichen Räumen. Luxemburg Gesellschaftsanalyse und linke Praxis,https://www.zeitschrift-luxemburg.de/dezentral-digital-kostenwahr-postfossil-ansaetze-einer-verkehrswende-in-laendlichen-raeumen/
Krause, Juliane (2017): Mobilität im ländlichen Raum – die Genderperspektive. Veranstaltung des BNUR des Landes Schleswig-Holstein am 27.11.2017 in Haby, https://www.ehrenamt-gleichstellung-sh.de/was-wir-tun/aktuelle-nachrichten/die-langen-kurzstrecken-der-frauen-fachtag-vom-27-11-17.html?file=files/arbeitsdaten/informationen/2017/2017_11_26_KrauseJuliane%20171127_Vortrag%20Haby.pdf
Klaas, Katharina & Kaas Elias, Alexander (2021): Verkehrswende im ländlichen Raum. VCD Fact Sheet 4/202, https://www.vcd.org/fileadmin/user_upload/Redaktion/Themen/soziale_Verkehrswende/VCD_Factsheet_Verkehrswende_laendlicher_Raum.pdf