Eine gendergerechte Mobilitätswende ist sozial, ökologisch und inklusiv. Sie stellt einen gleichberechtigten Zugang zu Mobilität und somit die Möglichkeit zur Teilhabe in den Vordergrund. Statt des Autos will eine gendergerechte Mobilität die Bedürfnisse aller Menschen zum Ausgangspunkt machen. Wie kann das konkret aussehen?

Gendergerechte Mobilität ist inklusiv und denkt verschiedene Lebensformen und Arten der täglichen Fortbewegung mit. Es gibt vielfältige und dynamische Lebensentwürfe und -formen abseits der in Vollzeit arbeitenden Person, die am Morgen ins Büro fährt und abends zurück. Mobilitätsplanung geht meist von einer Person aus, die vollzeitbeschäftigt ist, erwachsen, männlich sozialisiert, weiß, ohne Behinderung oder Mobilitätseinschränkung, die sich einen Pkw oder andere Mobilitätsdienstleistungen leisten kann. Diese Form der Mobilitätsplanung wird deshalb den Ansprüchen unterschiedlicher Lebensentwürfe, der heutigen Arbeitswelt, dem Stellenwert von Freizeit, ehrenamtlichen Tätigkeiten oder Sorgearbeit nicht gerecht. Hinzu kommen unterschiedliche Bedürfnisse und Ansprüche, die von der vermeintlichen Norm abweichen.

Gendergerechte Mobilität denkt Sorgearbeit mit. Vor allem denkt gendergerechte Mobilität jene Personen mit, welche Sorgearbeit leisten und häufig zu wenige Sichtbarkeit bekommen. Das Mobilitätsverhalten dieser Personen ist nicht linear (ein direkter Weg von A nach B), sondern geprägt von vielen kürzeren Wegen mit verschiedenen Haltestellen, die über den ganzen Tag verteilt sind, z. B. Einkäufe, Erledigungen und das Begleiten von anderen Personen (z. B. Kindern oder älteren Menschen).

Dafür braucht es einen öffentlichen Nahverkehr, der komplexe Wegeketten ermöglicht, wie eine enge Taktung von Bus- und Bahnverbindungen über den ganzen Tag verteilt statt nur morgens und abends, gute und flexible Anbindungen und Vernetzungen für Versorgungswege und den Ausbau der Nahmobilität. Ebenso wichtig ist die Erreichbarkeit und Integration verschiedener Ziele wie Schulen, Einkaufsmöglichkeiten, Gesundheitsdiensten oder Freizeitaktivitäten in die Mobilitäts- und Stadtplanung.

Konzepte und Leitbilder wie die 15-Minuten Stadt oder die Stadt der kurzen Wege, bei denen alle wichtigen Ziele des täglichen Lebens z. B. in 15 Minuten zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreicht werden können, unterstützen diese Bedürfnisse.Auch ÖPNV Tarife können dazu beitragen: mit Tickets, die ein kostenloses Umsteigen oder ein Zeitfenster vorsehen, in welchem eine Person auf der Strecke anhalten kann, um Versorgungstätigkeiten zu erledigen.

Gendergerechte Mobilität ist barrierefrei und denkt mobilitätseingeschränkte Personen von Anfang an mit. Hierfür braucht es einen tatsächlich barrierefreien Umbau von Straßen und Gehwege sowie des ÖPNVS, Mobilitätsangeboten wie barrierefreie Taxidienste und Shuttles. Barrieren sind dabei nicht nur physischer Art, sondern entstehen auch durch fehlende Fähigkeiten, Möglichkeiten oder Ressourcen.

Gendergerechte Mobilität ist bezahlbar und nicht nur für jene zugänglich, die es sich leisten können mobil zu sein. Menschen mit geringem Einkommen sind öfter von Mobilitätsarmut bedroht und häufiger von den Umweltbelastungen des Verkehrs betroffen. Lösungen, die beispielsweise vor allem auf Digitalisierung setzen, denken diese Personen sowie Menschen ohne Zugang zur digitalen Infrastruktur nicht mit. Gendergerechte Mobilität bedeutet Zugang zu Mobilität für alle. Vor allem der ÖPNV muss für alle bezahlbar sein, z. B. durch das 365-Euro-Ticket oder die Abschaffung von Tarifzonen.

Gendergerechte Mobilität ist ökologisch. Sie achtet auch Nachhaltigkeit, Umweltgerechtigkeit, Klimaschutz und Ressourcenschonung. Deshalb priorisiert sie Verkehrsmittel wie Fahrrad und Fußverkehr sowie den ÖPNV (sogenannter Umweltverbund). Diese Verkehrsmittel sind außerdem günstiger als der private Pkw und ermöglichen somit mehr Menschen Zugang zu Mobilität. Wenn mehr Personen, die aufgrund ihres Geschlechts marginalisiert werden, Autos kaufen und fahren, ist das keine gendergerechte Mobilitätslösung per se. Denn nur weil diese sich einen Pkws leisten können, bedeutet das nicht automatisch mehr Mobilität für marginalisierte Personen bzw. Personen, die sich kein Auto leisten können oder möchten.

Gendergerechte Mobilität schafft Platz für Menschen statt für Autos. Das gelingt durch die Umverteilung des öffentlichen Raums und eine faire Aufteilung der öffentlichen Flächen: Grünoasen statt Parkplätze, Spiel- und Nachbarschaftsstraßen statt Autostraßen. Weniger Platz für den motorisierten Individualverkehr und mehr Platz für Parks, ÖPNV, Fuß- und Radverkehr, für Aktivitäten und Aufenthaltsmöglichkeiten im öffentlichen Raum, für Kultur und Wohnraum. So können Orte der Begegnung geschaffen und lebenswerte Orte für alle ermöglicht werden.

Zum Ausgangspunkt der Planung von Mobilität und des öffentlichen Raums muss deshalb nicht das Modell einer Person genommen werden, die so schnell wie möglich von einem Ort zum nächsten kommen will. Vielmehr ist eine Planung notwendig, die von Menschen mit eingeschränkter Mobilität, älteren Personen, Kindern und Menschen mit geringerem Einkommen ausgeht. In Tirana werden beispielsweise öffentliche Plätze nach dem Prinzip der Stadt auf Augenhöhe geplant, nämlich aus der Perspektive von Kindern.

Gendergerechte Mobilität achtet auf die Sicherheit aller Personen.  Alle Personen sollen sich sicher fortbewegen und sicher im öffentlichen Raum aufhalten können. Dazu gehört der Schutz vor Gefährdung und Verletzung im Verkehr, aber auch Schutz vor Gewalt, sexuellen Übergriffen, rassistischen und diskriminierenden Übergriffen, Belästigungen und Grenzverletzungen während der gesamten Reise, also bspw. an Haltestellen und im ÖPNV.

Maßnahmen dazu sind z. B. eine sichere und flächendeckende Fahrradinfrastruktur, flächendeckendes Tempo 30, sichere Gehwege, längere Ampelschaltungen, gute Beleuchtung, Service- und Hilfsangebote an Stationen, Fahrgastbegleitung in Bahnen, Sprechkontakt zum Fahrpersonal. Besonders Menschen und Personengruppen, die einem höheren Gewalt- und Diskriminierungsrisiko ausgesetzt sind, müssen dabei in den Mittelpunkt gestellt werden.