Schon seit den 1970ern beschäftigen sich Wissenschaftlicher*innen, Planer*innen und Akademiker*innen mit der Frage, wie Gender die individuelle Mobilität beeinflusst und wessen Bedürfnisse in der Mobilitätsplanung berücksichtigt werden. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Daten und Studien, die weltweit genderspezifisches Mobilitätsverhalten belegen.1
Unterschiede im individuellen Mobilitätsverhalten ergeben sich aus verschiedenen Bedürfnissen, Lebensrealitäten und den Alltagswegen. Diese werden durch Gender beeinflusst, zum Beispiel durch zugewiesene soziale Rollen und geschlechtliche Arbeitsteilung. Beispielsweise wird der überwiegende Teil der Beziehungs- und Sorgearbeit auch in Deutschland noch immer durch FLINTA* Personen erledigt. Unterschiede ergeben sich aber auch aufgrund sozio-ökonomischer Aspekten sowie rassistischer und klassistischer Diskriminierungen und Ungleichheiten (siehe dazu den Beitrag zu Intersektionalität).
Verkehrsmittel
Frauen Personen gehen mehr zu Fuß, fahren Fahrrad oder mit dem ÖPNV. Weltweit sind über 60% der ÖPNV Nutzer*innen Frauen, Männer hingegen fahren mehr Auto (siehe dazu den ZEIT Artikel „Die männliche Stadt“). Wie aus der Studie „Mobilität in Deutschland“ (MiD) von 2017 hervorgeht, wird in Deutschland der Dienstwagen überwiegend von Männern genutzt (mit einem drei- bis vierfach höheren Anteil) und auch der Anteil der Carsharing-Quote ist bei Männern doppelt so hoch als bei Frauen. Im Jahr 2020 besaßen rund 77,9 % der Frauen einen Führerschein, bei den Männern waren es rund 84,8 % (siehe dazu die Statistik für 2020 hier). Laut Zulassungsstatistik 2020 sind von den 89 % Anteil der Pkws, die auf Private zugelassen sind, nur 34,2 % der Pkws auf Frauen zugelassen. Zugleich geht der Trend bei jungen Erwachsenen in die umgekehrte Richtung: Zwischen 2010 und 2019 sank der Anteil von Männern unter 24 mit Führerscheinbesitz um 16 %, bei Frauen waren es 14 %.
Verkehrswege und Mobilitätsmuster
Laut MiD legen in Deutschland Frauen durchschnittlich 33 km pro Tag zurück, Männer 46 km. Dabei legen insgesamt Personen mit hohem ökonomischem Status weitere Tagesstrecken als Personen mit geringerem ökonomischem Status zurück.
Nicht nur die Länge des Weges, sondern vor allem die Wegeketten und die Mobilitätsmuster unterscheiden sich. Mobilitätsverhalten von Männern sind typischerweise ein linearer Weg von A (Wohnung) nach B (Arbeit) und wieder zurück. Personen, die Sorge- und Betreuungsarbeit übernehmen, haben ein sehr komplexes und dynamisches Mobilitätsmuster: Sie legen über den Tag verteilt mehrere, kürzere Wege mit Zwischenstationen zurück und haben einen kleineren, aber dichteren Mobilitätsradius. In einigen Altersklassen legen Frauen* drei Mal so viele Begleitwege zurück als Männer und gehen doppelt so oft einkaufen (unabhängig von ihren anderen sozialen Kategorien). Sie legen ebenso mehr Freizeitwege zurück.
Sicherheit
Männer sind häufiger Verursacher von schweren und tödlichen Unfällen im Verkehr, dasselbe gilt für Trunkenheit am Steuer, Raserei oder Falschparken (Statistisches Bundesamt 2018). Der Überblick von Changing Cities fasst die wichtigsten Daten zusammen:
*FLINTA bezeichent Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre und trans Personen. Der Begriff umfasst alle Personen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität patriarchal diskriminiert werden. Im weiteren Verlauf des Textes wird von „Frauen“ gesprochen, da sich die Mobilitätsdaten, auf die Bezug genommen wird, mit dieser Definition arbeiten. Abgesehen davon verwenden wir den FLINTA Begriff, um alle geschlechtliche Identitäten abzubilden.
1) Ein Gender Bias fängt häufig schon bei der Erhebung empirischer Daten an: In gängigen Fragebögen wird meist das biologische Geschlecht abgefragt und neben „Frau“ oder „Mann“ keine weitere Auswahlmöglichkeit bspw. Für nicht-binäre Personen gegeben. Ebenso werden viele Daten haushaltsbezogen ermittelt, die jedoch noch einmal intern nach Haushaltsmitgliedern aufgeschlüsselt werden müssen, um zum Beispiel zu ermitteln, wer wie viel Zugang zu einem Pkw hat oder Begleitwege unternimmt, was etwa häufig bei Kindern der Fall ist. Außerdem werden bei Mobilitätsabfragen oft die Wege, die für Erwerbsarbeit zurückgelegt werden, besser abgebildet als Wege für Sorge- und Betreuungsarbeit (siehe dazu etwa den Hintergrundbericht „Gender Gap im Verkehrs- und Mobilitätsbereich“ des VCÖ).